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Selbstbestimmung der Gastronomen

Eingetragen am 2006-10-19 17:33 von Thorsten Sommer unter #gastronomie.

Manchmal frage ich mich ernsthaft, wie schmerzfrei man sein muss, um in Deutschland einen gastronomischen Betrieb zu eröffnen. Der schiere Wust an behördlichen Auflagen, Rechtsvorschriften, Gesetzestexten und gesellschaftlichen Konventionen, die (teilweise angeblich) zu beachten sind, würde mich in den Wahnsinn treiben. – Solche Meldungen bestätigen meine Besorgnis nur:

Die internationale Tierrechtsorganisation Peta (People for the Ethical Treatment of Animals) hat nach eigenen Angaben bundesweit Strafanzeige gegen knapp 50 Inhaber und Küchenchefs von Gourmetrestaurants erstattet, die auf der Speisekarte Foie gras (Stopfleber) anbieten.

Die Tierrechtler werfen den Gastronomen Verstoß gegen das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz (vormals Fleischhygienegesetz) sowie gegen die Fleischhygiene-Verordnung vor.

[ via: AHGZ ]

Peta hat Recht: Die Erzeugung von Foie gras ist ein grausames Kapitel der Kochkunst. (Leider schmeckt das Zeug so verdammt gut.)

Doch des Pudels Kern ist für mich Selbstbestimmung, Hausrecht, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – vulgo: „Darf man hier gar nichts mehr selbst entscheiden?“

Wer hat denn zu verantworten, dass solche ein Gericht auf der Karte steht? Die Anbieter (Gastronomen) oder die Nachfrager (Gäste)? Wenn keine Nachfrage da wäre, gäbe es nach den Gesetzen der Marktwirtschaft auch kein Angebot.

Daher halte ich – übrigens genauso wie beim berühmt-berüchtigten Nichtraucherschutz (darüber kann Gerhard mehr als eine Leidensgeschichte erzählen) – das Abstrafen der Gastronomen für völlig daneben.

Anstatt die Nachfrage zu bremsen – durch z. B. geeignete Aufklärung – werden in Deutschland eher die wenigen Dienstleister, die es gibt, als Buhmänner hingestellt. Einige wenige anzugreifen ist natürlich viel einfacher, als die große, graue, stumme Masse, die eben auf Rauchen, Foie gras u. ä. steht. Aber es ist eben auch feige (und/oder bequem).

Ich kann allen, die irgendetwas gegen einen Betrieb einzuwenden haben – sei es, dass dort das Rauchen erlaubt ist, die Nase des Wirtes, die Farbe der Tapete oder die Größe der Speisekarte nicht stimmt, oder eben Foie gras angeboten wird – nur empfehlen: Geht doch einfach woanders hin. Besser noch: Macht es doch selbst so, wie ihr es für richtig haltet.

Und lasst doch bitte diejenigen, die sich freundlicherweise abschuften und -rackern, dass wir Nachfrager uns in solchen Betrieben wohlfühlen, in Ruhe – und uns am besten gleich mit. Die Zeit der Missionare ist lange vorbei.

PS: Natürlich hört auch für mich der Spaß bei Drogen und sonstigen Angeboten zum Zwecke der Selbstzerstörung auf. Aber die derzeitigen Diskussionen rund um die oben genannten Themen sind aus meiner Sicht als „mündiger Bürger“ weit, weit überzogen.

tags
#recht

Zwei Kommentare:

Nun ja, bis aufs Rauchen stimmt das ganze schon, da dort ja alle – Gäste incl. Angestellte – tangiert werden, und das im Prinzp und auch in Praxis nicht Entscheidung des Chefs sein sollte. Siehe Hygieneregeln o.ä.

Ansonsten sollte Kritik nicht abgetan werden mit "Gast soll die Klappe halten und woanders hingehen", nach dem Motto der Wirt weiß alles besser, macht alles richtig. Kundenfeedback sollte das A und O sein – das würde auch so manches Gastwirt helfen auch seiner Betriebsblindheit herauszukommen.

Martin, 2006-10-22 13:25

@Martin: Kundenfeedback, genau. – Die Wirte befolgen nichts anderes als die Wünsche ihrer Kunden, nämlich dass man bei ihnen gerne rauchen möchte, Foie gras essen, etc. Demnach ist also alles in bester Ordnung.

Das Dumme an mehrheitlichen Entscheidungen ist nunmal, dass die Minderheit sich einfach damit abfinden muss (was sie leider nicht klaglos tut, das ist das eigentliche Dilemma ;-)).

Darüber hinaus gibt es in der Gastronomie eine einfache, zusätzliche Lösung (für die Minderheit): Woanders hingehen. Es liegt nicht am Gastronomen, sondern an jedem Einzelnen. Die Entscheidung ist ganz einfach: Die Meinung der Mehrheit akzeptieren oder woanders hingehen.

Gastronomen sind übrigens alles andere als betriebsblind, sondern kennen sich im Gegenteil in ihren höchsteigenen Geschäften viel besser aus als jeder ihrer Gäste – sonst würden umgekehrt ja die Gäste die Läden führen. Ergo: Doch, der Wirt weiß es besser und macht alles richtig. Wer das nicht glaubt, der macht einfach selbst einen Laden auf und lässt munter zu, dass unbeteiligte Dritte ihr/ihm sein Geschäftsmodell vorschreiben. Danach unterhalten wir uns nochmal, ok?

thSo, 2006-10-22 14:11