Wie Tageskarten entstehen
Vincent Klink erläutert in Nachgesalzen mit bekannt direktem Ton, wie eine Tageskarte entsteht. Gutes Beispiel für die von mir immer wieder geforderte, regelmäßige Aktualisierung von Karten:
Heute stand plötzlich unser Jäger vor der Türe und hatte zum Schrecken der gestreßten Köche ein Hirschkalb und einen Frischling in seinem Passat. Beide Tiere hängen nun m Kühlhaus noch eine Woche ab und kommen dann auf die Karte. Vorgestern wußten wir davon noch gar nichts. Kurzum, null Planung, denn die beste Ware kann man nicht herbeizitieren, sie muß zu einem kommen.
[ via: Nachgesalzen ]
Die von Herrn Klink beschriebene Vorgehensweise bei der Aktualisierung ist dabei sicherlich die edelste von allen. Ähnlich müss(t)en auch Wochen- und Saisonkarten aktualisiert werden. Leider machen das viel zu wenige Betriebe.
Neuausrichtung – Magazin statt Karte
Die Sausalitos-Kette will ihr Markenbild weiter aufweichen und dabei u. a. von der bisherigen (meiner Ansicht nach recht gelungenen) Speisekarte auf ein Magazin-Format umstellen:
Im Zentrum der Neuausrichtung steht der Abschied von der herkömmlichen Speisekarte – stattdessen kommt ab September in allen 23 Betrieben das Sausalitos Magazin (siehe Cover-Dummy) auf den Tisch: eine ausdrücklich zur Mitnahme gedachte & gemachte Zeitschrift im angesagten DIN A 5-Format, die über das F&B-Angebot hinaus jede Menge Mehrwert bieten will. Zielgruppengerecht verpackte Informationen nämlich, die auf Lebensgefühl und Lebens- bzw. Konsumwelten junger Gästegenerationen abheben – nicht nur eigene Sausalitos-Events: Mode, Musik oder Insider-Tipps zu den hippsten Urlaubs-Destinationen der Saison – oder auch ein Beitrag über die Ursprünge typischer Sausalitos-Drinks ... Intelligente Sponsorenauftritte (Product Placements) inklusive.
[ via: cafe-future.net ]
Grundsätzlich ist gegen die Umstellung der Karte nichts einzuwenden – andere Betriebe nutzen dieses Format bereits und sind damit erfolgreich. Vorteil einer jeweils nur für drei Monate gültigen Auflage ist sicherlich auch die Möglichkeit zur regelmäßigen Aktualisierung und Anpassung des Angebotes.
Wenn ich allerdings den obigen Umfang lese, überkommen mich leichte Zweifel, ob hier nicht über das Ziel hinausgeschossen wird. Die Gefahr beim neuen Ansatz sehe ich darin, dass das Magazin weder als Speisekarte noch als Informationsangebot für voll genommen wird. Insbesondere im Speisekartenteil könnten Gästen aufgrund der Reizüberflutung wichtige Hinweise zu Angeboten entgehen. Hier muss für eine klare, optische Trennung zwischen den beiden Teilen gesorgt werden; ggf. entstehen zwei Halb-Hefte.
Noch eine persönliche Anmerkung zur Neuausrichtung:
„Markenstrategisch gesehen eine Art Spurwechsel“, sagt Sausalitos-Mitunternehmerin Gunilla Hirschberger. „Wir haben die modernen Medienkanäle bislang definitiv zu wenig genutzt. Und wollen das Ethno-Thema, sprich Mexican, im Markenbild noch weiter zurücknehmen – der Markenname kommt bereits ohne Unterzeile aus.“ Statt ‚Cantina y Bar Mexicana’ also einfach: Feel Spaß!
Erstens: Das Sausalitos war nie wirklich mexikanisch, sondern Tex-Mex. Daher hat mir schon der alte Marken-Claim immer wieder eiskalte Schauer den Rücken runter gejagt. Zweitens: Der neue Claim ist noch fürchterlicher. Diese bemüht denglische Wortschwurbelei ist hinreichend allgemein, um wenig bis gar nichts zur Prägung eines eindeutigen Markenbildes beizutragen. Denn wirklich witzig, und damit einprägsam, erscheint sie mir nicht. Oder?
Insgesamt entnehme ich obiger Pressemitteilung nur eine Verwässerung und keine Stärkung der Marke. Damit ginge wieder ein bisher eindeutig identifizierbares Konzept (das man lieben oder hassen konnte) im allgemeinen Diversifizierungswahn unter. Diese Strategie hat mir schon beim Maredo nicht gefallen.
Oder anders ausgedrückt: Warum die Firma ihren eigenen Wiedererkennungswert (festgemacht genau an der Aussage, der einzige Mexikaner im Ort zu sein) senken will und damit einen Wettbewerbsvorteil aufgibt, bleibt mir schleierhaft.
Wenn die neue Karte rauskommt, hätte ich natürlich gerne ein Rezensionsexemplar ;-)
Mögliche Auswirkungen einer Mehrwertsteuererhöhung
Gerhard beschwört den Geist der Mehrwertsteuererhöhung. Seinen Ausführungen zu den Vor- und Nachteilen für die Gastronomie schließe ich mich gerne an. Seinem Vorschlag zu Aktualisierung von Speisekarten ganz bestimmt nicht:
Warten Sie möglichst mit dem Druck neuer Preislisten und Speisekarten. Um den Rohertrag bei Speisen und Getränken zu halten, müssen Sie, bei einer Mehrwertsteuererhöhung auf 20 Prozent, Ihre Preise um 3,45 Prozent anheben. Wenn Sie den Zeitpunkt eines Druckauftrags nicht weiter hinauszögern können, gehen Sie von einer Mehrwertsteuererhöhung aus. Sie kommt bestimmt, entweder schon nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005 oder erst zum 1.1.2007 nach der Bundestagswahl.
[ via: Gastgewerbe Gedankensplitter ]
Jedenfalls für den Zeitraum Anfang 2007 nicht. Dann sollte man eher jetzt schon eine neue Version der Karte drucken. Bis 2007 haben sich auch die Kundenwünsche und Lieferantenpreise wieder komplett gewandelt ;-)
Verurteilung wegen veralteter Online-Speisekarte
So kann man sich auch selbst ins Knie schießen: Erst einen Webauftritt erstellen und anschließend über Monate verlottern lassen. – Solcherart Vorgehen führt a) zu einem ganz schlechten Eindruck bei den Besuchern und b) möglicherweise zu einer Verurteilung:
Der Stein des Anstoßes: Preise und Sortiment im Web stimmten schon seit langem nicht mehr mit der Wirklichkeit vor Ort überein. Die Online-Preise lagen zwischen 17 und 36 Prozent unter jenen Preisen, die der Wirt aktuell verrechnete. Schwache Entgegnung des Lokalbesitzers: Ihm sei die veralterte Online-Speisekarte bestens bekannt, aber es fehle ihm an Zeit und Kompetenz, um Änderungen vorzunehmen. Diese Einstellung kam ihn letztlich teuer: Das vom Restaurant-Verband eingeschaltete Gericht befand nun, dass es sich dabei um unlauteren Wettbewerb und Täuschung des Verbrauchers handelt. Die Kosten in Höhe von 1.640 Euro Strafe plus Verfahrenskosten hätte der Wirt gut und gerne in einen tollen Webauftritt stecken können.
[ via: computerwelt.at ]
Genauso kann es jedem mit normalen Speisekarten gehen. Nicht nur aus diesem Grund gehört die regelmäßige(!) Aktualisierung zu meiner Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Erstellung von Speisekarten. Wer keine Kapazitäten zur Aktualisierung hat, der sollte die Karte bzw. den Webauftritt lieber ganz weglassen.
Fraglich bleibt, ob ein Betrieb ohne Kapazität zur Aktualisierung seiner Karte überhaupt markttauglich ist.
Aktualisierung nach 75 Jahren
Ich rate ja dazu spätestens alle zwei Jahre die eigene Speisekarte zu aktualisieren. 75 Jahre sind da schon rekordverdächtig:
Deshalb wird der Küchenchef für Clinton zum ersten Mal seit Gründung des Restaurants im Jahr 1929 die Speisekarte ändern.
[ via: Netzeitung ]
Der Anlass ist sicherlich als Marketing-Gag ideal. Was aber werden die anderen Stammgäste davon halten? Und Trennkost-Diäten sollen ja auch nicht so das Optimale zu sein. Naja, Hauptsache der Laden brummt.